DRV-Hauptstadtkongress

„Die Branche hält Kurs – trotz Belastungen“

Die deutsche Reisewirtschaft blickt insgesamt optimistisch in die Zukunft – doch hinter dem Aufschwung stehen erhebliche Herausforderungen.

„Die Branche hält Kurs – trotz Belastungen“
Foto: DRV / Marcel Kautz
Auf dem Podium diskutierten Dr. Ute Dallmeier (LCC Niederrhein, DRV-Finanzvorständin), Felix Eichhorn (Präsident AIDA Cruises), Peter Gerber (CEO Condor) und Songül Göktas-Rosati (Geschäftsführerin Bentour Reisen) unter Moderation von Andrea Grießmann über Standortkosten, Marktentwicklungen, Preissteigerungen und die gesellschaftliche Rolle des Reisens.

Songül Göktas-Rosati, die mit Bentour Reisen einen der wichtigsten Türkeispezialisten führt, zeigte sich vorsichtig optimistisch. „Natürlich sehen wir nach Jahren des starken Wachstums eine gewisse Normalisierung. Aber das Grundbedürfnis der Menschen zu reisen bleibt bestehen – und das ist unsere größte Stärke.“ Sie appellierte an die Politik, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern: „Wir müssen die Menschen entlasten, Bürokratie und Regulierung reduzieren und Reisen bezahlbar halten. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches Thema – es geht um Lebensqualität.“ Für sie hat Tourismus auch eine gesellschaftliche Funktion: „Reisen stiftet Verbindung und Frieden. Wer die Welt sieht, wird toleranter. Das ist unser Auftrag.“

Felix Eichhorn, Präsident von AIDA Cruises, verwies auf die starke Entwicklung der Kreuzfahrtbranche: „Die Kreuzfahrt war in den vergangenen Jahren einer der Wachstumstreiber in der Touristik – und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.“ Das Erfolgsrezept sieht er in einem klar kalkulierbaren Preis-Leistungs-Verhältnis: „Viele Gäste wissen: Was ich bezahle, beinhaltet schon sehr viel. Das schafft Zufriedenheit und Planungssicherheit.“ Gleichzeitig betonte er die Anpassungsfähigkeit der Branche: „Wir reagieren flexibel auf Veränderungen – mit kürzeren Reisen, neuen Routen und neuen Zielgruppen. Das hat uns durch viele Krisen getragen.“

Weniger entspannt zeigte sich Peter Gerber, CEO von Condor. Für ihn ist das zentrale Problem klar benannt: „Die Standortkosten in Deutschland sind explodiert. In Frankfurt kostet es das Zehnfache eines spanischen Flughafens, ein Flugzeug abheben zu lassen. Das schwächt uns massiv im europäischen Wettbewerb.“

Gerber warnte vor den Folgen für den gesamten Reisestandort Deutschland: „Wenn Fliegen immer teurer wird, hat das Auswirkungen auf alle Glieder der Reisekette – vom Veranstalter bis zum Reisebüro. Es geht nicht nur um Airlines, sondern um die Zukunft des Reisestandorts insgesamt.“ Er forderte eine klare Reaktion aus der Politik: „Wir brauchen endlich Entlastung bei den Standortkosten. Wenn wir heute handeln, sehen wir in sechs Monaten Effekte. Das ist kein Wunschdenken – das ist gelebte Praxis.“

Dr. Ute Dallmeier, Geschäftsführerin von LCC Niederrhein und DRV-Finanzvorständin, brachte die Perspektive des stationären Vertriebs ein. „Wir freuen uns über steigende Umsätze, aber die Gewinne wachsen nicht im gleichen Maße. Die Kosten steigen – und die Budgets vieler Kundinnen und Kunden sind angespannt.“ Sie sprach von einem gestiegenen Beratungsaufwand: „Viele Familien müssen Kompromisse eingehen. Es ist schwerer geworden, Kunden wirklich glücklich zu machen.“ Auch die steigenden Flugkosten seien spürbar: „Unsere Kunden sind doppelt betroffen – über das Produkt und über ihre eigenen Reisekosten. Das drückt auf die Nachfrage.“

Dallmeier betonte zugleich die Stärke des stationären Vertriebs: „Wir sind nah dran an unseren Kunden, beraten persönlich und übernehmen Verantwortung. Wenn am Sonntag ein Flug ausfällt, ruft man nicht bei einer Hotline an, sondern beim Reisebüro. Das ist unser Wert.“

Zum Abschluss zeigte sich das Panel trotz aller Herausforderungen zuversichtlich. Die Nachfrage nach Reisen bleibt robust, die Branche wandelt sich – und sieht sich zugleich als Teil einer größeren gesellschaftlichen Aufgabe. „Tourismus ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor“, sagte Göktas-Rosati. „Er ist auch ein Beitrag zu internationalem Austausch, Toleranz und Frieden. Und diese Dimension wird in der Politik noch immer zu wenig gehört.“