DRV-Hauptstadtkongress

„Unsere Werkbank steht nicht in Brüssel“ – Reisebranche warnt vor EU-Regulierungsplänen

Beim DRV-Hauptstadtkongress forderten Branchenvertreter klare Kante gegen überzogene EU-Vorgaben. Pauschalreisendefinition, Haftungsregeln und Informationspflichten stehen in der Kritik. Die Politik verspricht Ausgleich – doch viele warnen: Die Zeit läuft davon.

„Unsere Werkbank steht nicht in Brüssel“ – Reisebranche warnt vor EU-Regulierungsplänen
Auf dem DRV-Hauptstadtkongress diskutierten Vertreter aus Politik, Touristik und Recht die geplante Reform der EU-Pauschalreiserichtlinie – im Fokus standen Verbraucherschutz, Bürokratie und die Zukunft der Vertriebsvielfalt. Foto: Felix Hormel
Die geplante Reform der EU-Pauschalreiserichtlinie sorgt für Spannung, Skepsis – und klare Worte. Auf einem Podium beim DRV-Hauptstadtkongress diskutierten Vertreter aus Politik, Reisewirtschaft und Recht über Verbraucherschutz, Marktvielfalt und Bürokratie. Während DRV-Vizepräsident Ralf Hieke eindringlich vor den praktischen Folgen warnte, setzten Akteure der Politik auf eine ausgewogene Lösung und nationale Spielräume bei der Umsetzung.

DRV warnt vor Eingriff in die Vertriebsfreiheit

Für Ralf Hieke, Geschäftsführer des Reisebüros Strier in Ibbenbüren, geht es bei der Novelle um nichts weniger als die Zukunft der klassischen Vertriebslandschaft. „Unsere Kundinnen und Kunden kommen mit ganz unterschiedlichen Reisewünschen. Manche wollen Pauschalreisen, andere gezielt individuelle Arrangements. Wenn wir in eine Situation geraten, in der wir nur noch Pauschalreisen vermitteln dürfen, zerstört das die Vielfalt, die wir heute im Markt haben.“

Gefahr für kleine und mittlere Reisebüros

Hieke sieht die geplante Abschaffung der verbundenen Reiseleistungen als massiven Eingriff in die unternehmerische Freiheit. „Wir müssen weiterhin in der Lage sein, auch individuelles Geschäft zu bedienen. Es kann nicht das Ziel einer EU-Richtlinie sein, die Vertriebsrealität auf ein einziges Modell zu reduzieren.“

Er verweist dabei besonders auf die Bedeutung kleiner und mittelständischer Büros in der Fläche: „Unsere Werkbank steht nicht in Brüssel, sondern in kleinen und mittleren Städten, wo persönliche Beratung zählt. Diese Strukturen sind gefährdet.“

Mehr Bürokratie, höhere Kosten

Auch die zunehmenden Informations- und Haftungspflichten sind aus seiner Sicht ein Risiko: „Jede neue Auflage trifft uns doppelt – sie macht die Beratung aufwendiger und die Produkte teurer. Das hilft am Ende weder Verbrauchern noch der Branche.“

Mark Tantz, COO Dertour Central Europe, pflichtete bei: „Ich kenne keinen Kunden, der im Reisebüro nach juristischen Details fragt. Die Menschen wollen Urlaub – keine Paragraphen. Jede zusätzliche Regulierung verteuert das Produkt.“

Rechtsanwalt Hans-Josef Vogel, formulierte noch zugespitzter: „Wir laufen Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen. Die geplante Ausweitung der Pauschalreise-Regelungen bedroht die Vielfalt am Markt und zwingt Reisebüros in ein enges Korsett.“

Stimmen aus der Politik: „Wir brauchen Balance“

Anja Karliczek MdB (CDU/CSU), Vorsitzende des Tourismusausschusses im Bundestag, widersprach zwar einigen Kritikpunkten, zeigte aber Verständnis für die Sorgen der Branche. „Man muss die Punkte einzeln durchgehen. Manches macht Sinn. Es handelt sich um einen Vorschlag der Kommission, und man muss nicht alles teilen, was dort steht.“

Zugleich betonte sie die Chancen moderner Technologien: „Informationspflichten lassen sich heute digital und mit hoher Nutzerfreundlichkeit umsetzen. In Zeiten von KI und Digitalisierung sollte das kein Problem sein. Wichtig ist aber, dass keine Regelungen entstehen, die teuer und unpraktikabel sind.“

Spielräume bei der Umsetzung nutzen

Leif Erik Bodin MdB (CDU/CSU) hob die Bedeutung eines ausgewogenen Vorgehens hervor: „Wir müssen den Verbraucherschutz weiterentwickeln, aber gleichzeitig die Branche nicht mit praxisfernen Auflagen erdrücken. Wettbewerbsfähigkeit und Fairness gehören zusammen.“ Die aktuellen Trilog-Verhandlungen böten Spielräume, um „überzogene Vorschläge abzuschwächen und für den deutschen Markt praxistauglicher zu gestalten“.

Auch Stefan Zierke MdB, tourismuspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schlug in dieselbe Kerbe: „Die Richtlinie ist zwar vollharmonisierend, aber es gibt Spielräume bei der Auslegung. Wir werden darauf achten, dass die Umsetzung pragmatisch und für die Branche praktikabel bleibt.“ Er kündigte an, dass Deutschland kein sogenanntes „Gold-Plating“ betreiben werde – also keine zusätzlichen Belastungen über die EU-Vorgaben hinaus.

Ausblick auf die Trilog-Verhandlungen

Hieke bleibt dennoch skeptisch, ob diese Zusicherungen ausreichen. „Bis zum 11.11. ist es noch ein Stück, aber es ist entscheidend, dass wir jetzt laut und geschlossen auftreten. Wenn wir diesen Moment verpassen, verlieren wir Gestaltungsspielraum – und mit ihm ein Stück unserer Vertriebsvielfalt.“

Am 11. November sollen in Brüssel entscheidende Trilog-Verhandlungen stattfinden. Anfang 2026 wird voraussichtlich feststehen, wie die neue Pauschalreiserichtlinie konkret aussieht.

Forderung nach praxisnahen Regeln

„Wir haben keine Angst vor Veränderungen“, so Hieke abschließend, „aber wir brauchen Regeln, die der Realität im Vertrieb gerecht werden – nicht theoretischen Vorstellungen aus Brüssel.“