DRV-Hauptstadtkongress

Anwalt kritisiert Pauschalreise-Reform – „Schießen über das Ziel hinaus“

Teuer, bürokratisch, wirklichkeitsfern – so wertet Branchenjurist Hans-Josef Vogel die geplante Novelle der Pauschalreiserichtlinie durch die EU. Die Neuregelung stelle das Geschäftsmodell von Reisebüros infrage und drohe Individualreisen durch starre Pauschalen zu verdrängen – und das ohne erkennbaren Mehrwert für Kunden.

Anwalt kritisiert Pauschalreise-Reform – „Schießen über das Ziel hinaus“
Rechtsanwalt Hans-Josef Vogel warnt auf dem DRV-Hauptstadtkongress vor den Folgen der geplanten EU-Pauschalreise-Reform: Sie gefährde Vielfalt und Flexibilität im Reisemarkt. Foto: Felix Hormel
Die geplante Reform der EU-Pauschalreiserichtlinie stößt in der Branche zunehmend auf Widerstand. Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Josef Vogel von der Berliner Großkanzlei Advant Beiten warnt vor massiven Eingriffen in die Vielfalt des Marktes – und sieht die Bundesregierung in der Pflicht, für „faire Bedingungen“ zu sorgen.

„Unser Geschäftsmodell wird ständig infrage gestellt“

Vogel wählte deutliche Worte, um die Dimension der Regulierung einzuordnen: „Wenn Autohändler oder Möbelhändler so reguliert wären wie die Reisebranche, dann hätten wir jeden Tag Proteste. Unser Geschäftsmodell wird ständig neu infrage gestellt – das ist schlicht nicht mehr zumutbar.“

Ausweitung der Pauschalreise-Definition

Seit mehr als zwei Jahrzehnten versuche die Politik, den Begriff der Pauschalreise immer weiter auszuweiten. Was ursprünglich als Instrument des Verbraucherschutzes gedacht war, sei längst ein systematischer Versuch, jede Form des Reisens unter die Pauschalreiserichtlinie zu fassen. Diese Entwicklung sei kein Sonderfall, sondern die Fortschreibung einer 20-jährigen Linie. „Das degradiert Reisebüros dazu, nur noch Pauschalreisen zu vermitteln. Das zerstört Vielfalt, schadet leidenschaftlichen Unternehmern und bietet keinen effektiven Kundenschutz.“

Wegfall der verbundenen Reiseleistungen

Besonders kritisch sieht Vogel die geplante Abschaffung der sogenannten verbundenen Reiseleistungen. Diese hätten es bislang ermöglicht, mehrere Einzelleistungen zu kombinieren und individuelle Reisen zusammenzustellen. „Die verbundene Reiseleistung war ein Instrument, um überhaupt mehr als eine Reiseleistung zu vermitteln. Wird sie abgeschafft, wird es für Reisebüros noch schwerer, auf Kundenwünsche einzugehen“, betonte er. Damit drohe ein Rückschritt für die gesamte Branche, denn am Ende könnten nur noch standardisierte Pauschalreisen verkauft werden – Individualität und Flexibilität gingen verloren.

Forderung nach fairen Marktbedingungen

Vogel forderte deshalb ein klares Signal aus Berlin: „Wir brauchen faire Marktbedingungen. Das heißt: Vielfalt erhalten, statt sie abzuwürgen.“ Die EU-Pläne seien zwar gut gemeint, aber in der praktischen Umsetzung vielfach nicht durchdacht. Als Beispiel nannte er die vorgesehene europaweite Verpflichtung, Rückzahlungen binnen sieben Tagen vorzunehmen. „In Berlin liegen wir bei anderthalb bis zweieinhalb Tagen – in Athen bei sieben. Aber was hilft mir diese Frist, wenn ich den Anspruch erst einmal im Ausland durchsetzen muss?“ Die Folge seien keine schnelleren Erstattungen, sondern zusätzliche Liquiditätsprobleme für Veranstalter.

Skepsis gegenüber verpflichtendem Beschwerdemechanismus

Auch die geplante Einführung eines verpflichtenden Beschwerdemechanismus sieht Vogel kritisch. „In Deutschland gehen Reiseveranstalter sehr vernünftig mit Kundenbeschwerden um. Ein Kunde, der sich beschwert, ist eine Chance, ihn zu behalten – das wissen hier alle.“ Ein von Brüssel verordnetes System sei überflüssig und teuer. „Warum sollen wir vier Prozent des Bruttoumsatzes zusätzlich für Normen und Compliance zurückstellen, wenn wir längst funktionierende Strukturen haben?“

Informationspflichten ohne Nutzen

Besonders plastisch wurde Vogel beim Thema Informationspflichten. „Wir alle kennen das: Wir bekommen PDF um PDF, klicken uns durch – und niemand liest sie. Außer vielleicht Verbraucherschützer.“ Die geplante Ausweitung dieser Pflichten hält er für praxisfern: „Das bedeutet permanente Kommunikation mit dem Kunden, enorme Belastung – und null Mehrwert.“

Warnung vor Überregulierung

Am Ende seines Vortrags warnte Vogel vor einer Entwicklung, die am Markt vorbeiläuft. „Wir laufen Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen. Das hilft weder den Kunden noch der Pauschalreise. Ziel muss es sein, Vielfalt und Flexibilität zu erhalten – nicht, sie kaputt zu regulieren.“