Alpha-Chef im Interview mit TRVL COUNTER

Albin Loidl: „Reisebüros und Veranstalter sind eine Schicksalsgemeinschaft“

Nach Jahren in leitenden Funktionen will Alpha-Chef Albin Loidl nun die Spitze des DRV übernehmen. Mit Reformwillen, Nähe zum Vertrieb und Dialogbereitschaft setzt er auf einen Kurs der Erneuerung. Im Zentrum stehen für ihn die Neuverhandlung der Pauschalreiserichtlinie und die Prüfung der Verbandsstrukturen. Nachhaltigkeit will er zur Chefsache machen. Im Gespräch erklärt er sein Programm.

Albin Loidl: „Reisebüros und Veranstalter sind eine Schicksalsgemeinschaft“
Mit über 30 Jahren Branchenerfahrung kandidiert Albin Loidl im Oktober für das DRV-Präsidentenamt. Foto: Alpha Reisebüro Partner
Albin Loidl will im Oktober 2025 neuer Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV) werden. Der Geschäftsführer der Alpha Reisebüro Partner GmbH blickt auf mehr als drei Jahrzehnte Touristik-Erfahrung zurück, von TUI über Thomas Cook bis hin zu Alpha.

Im Gespräch mit TRVL COUNTER erläutert er seine Beweggründe, seine Pläne für den Verband, spricht über die Zukunft der Reisebüros, über Nachhaltigkeit – und verrät, warum er schon mal mit einem alten Peugeot quer durch die Sahara gefahren ist.
 

 

Das sind die drei Prioritäten von Albin Loidl

 

  • Pauschalreiserichtlinie neu verhandeln: „Das ist die drängendste Aufgabe – hier droht akute Gefahr für die Reisebüros und Veranstalter. Wir brauchen faire Marktbedingungen.“
  • Nachhaltigkeit vorantreiben: „Nachhaltigkeit ist kein Teufelszeug, sondern eine Chance. Wir müssen endlich vom Reden ins Handeln kommen, auch mit Weiterbildungsprogrammen wie dem Green Counter.“
  • Struktur des Verbands überprüfen: „Die jetzige Säulenstruktur ist nicht in Stein gemeißelt. Wir brauchen eine zeitgemäße Organisation, die alle Player einbindet und Schlagkraft gegenüber Politik und Öffentlichkeit sichert.“


Wann haben Sie für sich entschieden, für das Präsidentenamt zu kandidieren – und warum?
​„Das war kein spontaner Entschluss, sondern ein Prozess über mehrere Wochen. Immer wieder haben mich Kollegen angesprochen: Albin, wäre das nicht etwas für dich? Zuerst habe ich das abgetan, dann kam die Frage erneut, und schließlich habe ich mit meiner Frau gesprochen. Sie hat gesagt: Das wolltest du doch immer, dich für die Branche einsetzen.‘ Parallel habe ich geprüft, wie meine aktuelle Verantwortung bei Alpha abgesichert wäre. Wir hatten schon vorher mit einem starken Managementteam vorgesorgt, sodass ich guten Gewissens sagen konnte: Die Firma läuft auch ohne mich. Dann habe ich eine Nacht darüber geschlafen – und am nächsten Morgen war klar: Ja, ich stelle mich.

Warum?
​„Weil ich überzeugt bin, dass ich mit meiner Erfahrung, meiner Nähe zum Vertrieb und meinem Willen zum Dialog etwas bewegen kann. Ich finde außerdem, man darf nicht immer nur von der Seitenlinie sagen: „Man müsste mal.“ Wenn man Verantwortung übernehmen will, braucht es Mut und Engagement. Ich möchte meine Erfahrung und meine Nähe zu Reisebüros und Veranstaltern einbringen, um eine starke, zukunftsgerichtete Stimme für die Branche zu sein – in Berlin wie in Brüssel.

Sie treten in große Fußstapfen. Wie sehen Sie die Arbeit vom noch amtierenden Präsidenten Norbert Fiebig?
​„Sehr respektvoll. Ich finde, seine Arbeit wurde häufig unterschätzt. Gerade in der Pandemie hat er im Hintergrund sehr klug gewirkt – im Zusammenspiel mit vielen Verbänden und vor allem auch mit Hauptgeschäftsführer Dirk Inger. Ohne diesen Schulterschluss gäbe es die Branche in dieser Form heute vermutlich nicht mehr.

Was werden Ihre ersten Schritte nach einer möglichen Wahl sein?
​„Erstens die Pauschalreiserichtlinie – da droht uns großes Ungemach, das ist dringend. Zweitens Nachhaltigkeit, die wir endlich offensiv angehen müssen. Und drittens eine Überprüfung der Verbandsstrukturen: Die Säulenstruktur ist vielleicht in einem anderen Zuschnitt sinnvoll, aber in der jetzigen Form nicht unbedingt zeitgemäß.

Was genau meinen Sie damit?
​„Der DRV ist derzeit in fünf Säulen organisiert, von den Reisebüros über die Veranstalter bis hin zu den Dienstleistern. Das hat über viele Jahre funktioniert, aber die Branche verändert sich rasant. Neue Player kommen hinzu, die Grenzen zwischen den Bereichen verschwimmen, digitale Geschäftsmodelle passen nicht mehr sauber in diese Schubladen.

Heißt das: Abschaffen?
​„Nein, ich will die Säulenstruktur nicht einfach kippen. Ich halte sie grundsätzlich für sinnvoll, weil sie den Mitgliedern eine Identität gibt. Aber ich glaube, wir müssen prüfen, ob die Zuschnitte noch zeitgemäß sind. Vielleicht braucht es weniger Säulen, vielleicht eine andere Gewichtung oder auch thematische Ausschüsse, die flexibler arbeiten.

Was stört Sie an der jetzigen Struktur?
Zum einen die Vielzahl an Ausschüssen, da reden wir von bis zu 16 parallel laufenden Gremien. Das führt eher zu Zersplitterung als zu Schlagkraft. Zum anderen spüre ich, dass sich manche Akteure in ihrer Säule nicht mehr richtig repräsentiert fühlen. Wir müssen Strukturen schaffen, die die Vielfalt der Branche abbilden, ohne sie zu lähmen.

Wie stellen Sie sich das vor?
​„Ich möchte die Diskussion ohne Scheuklappen führen – gemeinsam mit dem neu gewählten Vorstand. Wichtig ist mir: am Ende brauchen wir einen Verband, der agiler, moderner und politisch schlagkräftiger ist. Und das geht nur, wenn wir Strukturen anpassen, statt sie zu verwalten.

Kritiker sagen: Die Branche hätte sich eine jüngere, weibliche, digitalere Spitze gewünscht. Wie sehen Sie das?
Ich nehme das ernst. Digitalisierung und KI sind zentrale Themen. In meinem Team arbeiten wir längst mit KI-Tools, aber immer so, dass auch das Herz erreicht wird – nicht nur der Kopf. Entscheidend ist aber nicht das Geburtsjahr, sondern ob jemand zuhören kann, Brücken baut und Impulse setzt.

Apropos Brücken: Das Verhältnis zu den Reisebüros im Verband ist heikel. Wie wollen Sie es gestalten?
Ich komme selbst aus dieser Welt und glaube fest an die Schicksalsgemeinschaft von Reisebüros und Veranstaltern. Es ist für den Verbraucher gut, dass wir ein starkes, flächendeckendes Netz an Beratungsstellen haben. Dafür werde ich kämpfen – auch in Brüssel.

Die TUI ist Ende 2024 aus dem DRV ausgetreten. Wie wollen Sie mit diesem Bruch umgehen?
Das war natürlich ein tiefer Einschnitt – für den Verband und für die gesamte Branche. Ich halte es für eine zentrale Aufgabe, die Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen. Mein zweiter Anruf nach Bekanntgabe meiner Kandidatur ging deshalb an Benjamin Jacobi, den Deutschlandchef der TUI. Ich habe ihm signalisiert: Ich möchte einen offenen, regelmäßigen Austausch – egal, ob die TUI Mitglied ist oder nicht.‘ Wir müssen nicht in allem einer Meinung sein, aber wir brauchen eine Gesprächsbasis.

Viele Reisebüros haben den Austritt des Branchenprimus kritisch gesehen, andere fühlten sich dadurch fast befreit. Wie ordnen Sie das ein?
​„Ich kann beide Seiten nachvollziehen. Es ist aber nie gut, wenn die größte Veranstaltergruppe fehlt – weil damit auch politische Schlagkraft verloren geht. Meine Aufgabe sehe ich darin, Brücken zu bauen und Vertrauen herzustellen, damit ein solcher Bruch in Zukunft nicht mehr passiert.

Streben Sie eine Rückkehr der TUI in den DRV an?
​„Wenn die Mitglieder mich wählen, werde ich jederzeit offen dafür sein, die Tür zur TUI wieder aufzustoßen. Aber das muss partnerschaftlich geschehen, ohne alte Gräben, wir müssen Bedingungen für eine faire Zusammenarbeit schaffen.

Sie betonen das Thema Nachhaltigkeit. Warum ist es Ihnen so wichtig?
​„Weil wir seit 20 Jahren Ausreden hören: Ja Albin, nicht heute, wir haben gerade anderes zu tun. Das regt mich auf. Ich habe mich bei der QTA und im Futouris-Netzwerk intensiv engagiert und werde das auch im DRV tun. Nachhaltigkeit ist kein Teufelszeug, sondern eine Chance. Es geht nicht nur um Mülltrennung, sondern um echte Veränderungen, vom Energieverbrauch bis zu Schulungsprogrammen wie dem ‚Green Counter‘.

Und wie passt das zu Ihrer persönlichen Reiseleidenschaft, etwa zur Kreuzfahrt?
​„Ich war vor vielen Jahren in der Antarktis – eine Reise meines Lebens. Ja, Reisen hinterlassen einen CO₂-Fußabdruck, ob Flug oder Schiff. Aber unsere Branche schafft auch Arbeitsplätze, sorgt für Teilhabe und Entwicklung in den Zielgebieten. Und die Kreuzfahrt hat längst begonnen, ihre Prozesse umzustellen – von LNG-Terminals bis zur Reduzierung von Food Waste. Sie kommuniziert es vielleicht nur zu leise.

Sie beschreiben sich als „Dirigenten“. Was heißt das für Ihren Führungsstil?
​„Ein Dirigent muss nicht jedes Instrument perfekt beherrschen, er muss wissen, wer es kann, und wie er das Orchester zusammenhält. So verstehe ich meine Rolle: zuhören, koordinieren, die richtigen Talente einsetzen und daraus ein Ganzes formen. Wenn man nur Zwölftonmusik spielt, wie Schönberg, dann begeistert man vielleicht ein paar Enthusiasten, aber der Saal bleibt leer. Wenn man dagegen klug mischt, Mozart hier, Bach dort, vielleicht Dvořáks ‚Aus der Neuen Welt‘ als Höhepunkt, dann erreicht man das Publikum.

Welches Stück beschreibt Ihre Vorstellung am besten?
​„Für mich ist Dvořáks ‚Sinfonie aus der Neuen Welt‘ ein starkes Bild. Sie verbindet Altes und Neues, europäische Tradition mit amerikanischer Inspiration. Und sie wurde berühmt dadurch, dass man sie auf der Queen Elizabeth spielte, wenn das Schiff im Morgengrauen nach New York einlief und die Freiheitsstatue am Horizont auftauchte. Das ist genau das, was ich mir wünsche: ein gemeinsamer Klang, der Aufbruch und Hoffnung transportiert – und der Menschen mitnimmt, statt sie auszuschließen.

Was war das Verrückteste, das Sie je gemacht haben?
​„Als Student bin ich mit einem Freund in zwei alten Peugeots von München aus quer durch die Sahara gefahren, bis nach Benin, wo wir die Autos verkauft haben. Das war verrückt, aber auch prägend. Später war ich Reiseleiter in Ostafrika und bin auf den Kilimandscharo gestiegen. Letztes Jahr war ich mit meiner Familie am Fuße des Cotopaxi in Ecuador, wir waren auf den Galápagos-Inseln und im Amazonasgebiet. Solche Erlebnisse erden einen, und zeigen, wie wertvoll Reisen sind.

Wie sehr wird Ihre Familie die neue Rolle spüren?
Meine Frau war früher selbst Reiseverkehrskauffrau, meine Tochter interessiert sich für Touristik. Aber wir trennen das Private klar vom Beruflichen. Wichtig ist, dass ich meine operative Verantwortung bei Alpha niederlegen werde, um mich voll auf die DRV-Arbeit zu konzentrieren.