Deutscher Luftverkehr bleibt deutlich hinter Vorkrisenniveau zurück
Deutschlands Luftverkehr hängt 15,8 Prozent hinter Vorkrisenniveau – die Branche sieht hohe Kosten und politische Untätigkeit als Hauptursachen.
11.08.2025, 08:00 Uhr
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Die Zahlen sind ernüchternd – und sie treffen mitten ins Herz einer Branche, die seit Jahren um ihre Wettbewerbsfähigkeit ringt. 99,4 Millionen Passagiere wurden im ersten Halbjahr 2025 an deutschen Flughäfen gezählt. Das klingt viel, ist aber ein Minus von 15,8 Prozent im Vergleich zu 2019. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich abgeschlagen auf Rang 28 von 31 Ländern. Nur drei Staaten erholen sich langsamer vom pandemiebedingten Einbruch.
Was die Branche seit Langem befürchtet, ist nun statistisch belegt: Internationale Airlines fliegen zunehmend an Deutschland vorbei. Für den Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und den internationalen Airline-Verband BARIG ist klar, woran es liegt – an den hohen Standortkosten und einer Politik, die sich weigert, gegenzusteuern.
Standortkosten als Wettbewerbsbremse BARIG-Chef Michael Hoppe spart nicht mit Kritik: Die Bundesregierung habe „eine bittere Quittung kassiert“. Deutschland sei Hauptverursacher seiner eigenen Misere, weil es den Luftverkehr mit Abgaben und Gebühren belastet, wie sie im europäischen Umfeld kaum ein anderes Land erhebt. Folge: Weniger Flüge von und nach Deutschland, schlechtere Anbindung, abnehmende Kapazitäten.
Das hat Folgen, die über den Passagierverkehr hinausgehen. Wenn Warenströme zunehmend über ausländische Drehkreuze geleitet und anschließend per Lkw nach Deutschland gebracht werden, steigen Kosten, Lieferzeiten – und die Umweltbilanz verschlechtert sich.
Untätigkeit trotz Koalitionsversprechen Das brisante Detail: Im Koalitionsvertrag ist längst eine spürbare Absenkung der Luftverkehrsteuer verankert. Passiert ist nichts. Stattdessen hat das Kabinett jüngst entschieden, die Steuer auch 2026 nicht zu senken – ein Signal, das in der Branche wie ein Schlag ins Gesicht wirkt. Für Hoppe wäre eine Steuerreduzierung ein einfach umzusetzender Hebel, um Airlines zurückzugewinnen, Arbeitsplätze zu sichern und das Exportgeschäft anzukurbeln.
Europas Schlusslicht Fast überall sonst in Europa ist die Erholung des Luftverkehrs abgeschlossen – vielerorts liegen die Passagierzahlen sogar über dem Vorkrisenniveau. Deutschland dagegen bleibt ein europäisches Schlusslicht. Die aktuellen Halbjahreszahlen seien nur ein „Vorgeschmack“ auf eine weitere Verschlechterung, warnt BARIG.
Politik vor Richtungsentscheidung Die Botschaft der Branche ist klar: Ohne Korrektur bei den Standortkosten wird Deutschland weiter Marktanteile verlieren – mit allen wirtschaftlichen und strukturellen Konsequenzen. Ob in Berlin die Einsicht reift, dass Luftverkehr nicht nur touristische, sondern auch industrielle und logistische Lebensader ist, wird sich zeigen.