VIR Innovationstage

Zwischen KI-Panik und Sehnsuchtskompetenz – ein doppelter Weckruf an die Touristik

Wenn Michael Buller spricht, wackelt das Selbstbild der Branche – und wenn Kirstine Fratz folgt, wird klar: Die VIR Innovationstage sind mehr als ein Branchentreffen.

Zwischen KI-Panik und Sehnsuchtskompetenz – ein doppelter Weckruf an die Touristik
Foto: iStock
Buller, wie gewohnt der mahnende Realist, hält der Branche in seiner Keynote den Spiegel vor: Wer glaubt, man könne einfach weitermachen wie vor der Pandemie, möge sich bitte mal umschauen – zwischen Extremwetter, geopolitischer Unruhe, Kurzfristbuchungen und bröckelnden Budgets. Seine Diagnose ist scharf, sein Ton deutlich. Und seine Warnung vor der Geschwindigkeit, mit der Künstliche Intelligenz nicht nur Prozesse, sondern ganze Geschäftsmodelle in Frage stellt, hallt nach: „KI wird nicht die Menschen ersetzen – aber sie wird die ersetzen, die sie nicht nutzen können.“

Spätestens da wird klar: Hier spricht jemand, der nicht die nächste App feiert, sondern die nächste Disruption kommen sieht – und fürchtet, dass die Branche lieber nostalgisch Kataloge sortiert als Prozesse durchdenkt.
Und dann kommt Kirstine Fratz. Kein Zahlenwerk, keine Branchenstatistik, keine Angstbotschaft. Stattdessen: ein kluger, empathischer Blick auf das, was Menschen wirklich antreibt – und was im Alltag von „Conversion Rate“ und „Buchungslogik“ oft verloren geht: Sehnsucht, Sinn, kulturelle Reibung.

Fratz spricht von „leeren Feldern der Sehnsucht“, von der „Autonomie des Dazwischen“ – und macht damit deutlich: Wer Menschen erreichen will, muss mehr verstehen als deren Konsumverhalten. Er muss begreifen, an welches Leben sie glauben. Und das ist im Wandel. Familie, Arbeit, Status, Liebe – all das ist im Umbau. Die Touristik, so Fratz, sei gut beraten, nicht nur Reiseziele zu verkaufen, sondern Resonanzräume zu schaffen.
Man kann beide Vorträge als Gegensatz sehen: Buller als strukturkritischer Techniker, Fratz als kulturphilosophische Möglichkeitsdenkerin. Doch vielleicht liegt der Reiz genau in der Kombination: Hier der Ruf nach Prozesskompetenz, dort der Ruf nach Bedeutungskompetenz. Und in der Mitte? Eine Branche, die zwischen KI-Panik und Wellness-Sehnsucht pendelt – und sich fragt, ob sie eigentlich noch weiß, wofür sie steht.

Denn das ist die stille Frage, die über beiden Reden schwebte: Reicht es, effizient zu sein – oder muss man auch relevant bleiben? Reicht es, Erlebnisse zu verkaufen – oder muss man auch verstehen, welche Geschichten Menschen sich selbst über ihr Leben erzählen, wenn sie reisen?

Buller sagt: Die Zeit des „Weiter so“ ist vorbei. Fratz sagt: Die Sehnsüchte haben sich längst verlagert. Beide sagen: Ihr müsst euch bewegen – nicht irgendwann, sondern jetzt.