HX-CEO Gebhard Rainer

„Wir liefern keine Kreuzfahrten von der Stange - unser Luxus ist Erlebnis“

Gebhard Rainer, CEO von HX Hurtigruten Expeditions, spricht über den Unterschied zwischen Hotellerie und Kreuzfahrt, warum Nachhaltigkeit mehr ist als ein Schlagwort und wie Gäste bei Expeditionen Teil echter Forschung werden. Ein Gespräch über Erlebnisqualität, neue Routen und das besondere Abenteuer Antarktis.

„Wir liefern keine Kreuzfahrten von der Stange - unser Luxus ist Erlebnis“
Foto: HX Hurtigruten Expeditions
Gebhard, Sie sind von der Hotellerie in die Kreuzfahrtbranche gewechselt. Was sind die größten Unterschiede – und wo die Parallelen?
Tatsächlich sind die Gemeinsamkeiten viel größer, als man auf den ersten Blick glaubt. In beiden Bereichen geht es darum, Menschen ein Erlebnis zu bieten, das sie sich selbst aussuchen und für das sie freiwillig Geld ausgeben – also weit weg von Grundbedürfnissen wie Nahrung oder Wohnen. Im Grunde bewegen wir uns hier an der Spitze der Maslow’schen Bedürfnispyramide. Es geht um Erlebnisse, die emotional ansprechen, die in Erinnerung bleiben.

Der größte Unterschied ist natürlich, dass ein Hotel an Land fest verankert ist, während ein Schiff schwimmt und somit ständig in Bewegung ist. Das bringt eigene Herausforderungen mit sich – vor allem im Hinblick auf Sicherheit und den Einfluss der Natur. Auf See muss man flexibel sein und mit Naturgewalten umgehen können, die es an Land in dieser Form nicht gibt. Aber die Betreuung der Gäste, das Schaffen von Erlebnissen, das ist im Kern sehr ähnlich.

Was macht das Erlebnis auf See so besonders?
Die Dimension des Reisens. Auf einem Expeditionsschiff erleben die Gäste Abenteuer, die über das hinausgehen, was sie in einem klassischen Hotel erwarten würden. Es gibt einen Expeditionsbereich, der Abenteuer und Erlebnisse wie Anlandungen, Zodiactouren, wissenschaftliche Workshops oder Naturbeobachtungen ermöglicht. Das ist in etwa vergleichbar mit einem Aktivitätsteam in einem All-Inclusive-Resort in der Karibik – nur auf einem ganz anderen Level, weil wir in entlegenen, oft noch unerschlossenen Regionen unterwegs sind.

Die Gäste suchen das Besondere, wollen nicht einfach am Strand liegen oder im Casino sitzen. Sie wollen echte Erlebnisse, die sie emotional berühren. Das erfordert viel Know-how und Einfühlungsvermögen – Eigenschaften, die aus der Hotellerie bekannt sind, aber auf See noch einmal intensiver gelebt werden.

Was ist der größte Vorteil eines Expeditionsschiffs?
Ganz klar: Flexibilität. Auf einem Expeditionsschiff muss man oft spontan auf Wetterveränderungen oder andere unvorhergesehene Ereignisse reagieren. Ich erinnere mich an eine Reise in die Antarktis im Januar – wir konnten nicht in die geplante Bucht einfahren, weil sie vereist war. Also hat sich unser Kapitän gemeinsam mit dem Expeditionsleiter beraten, die Seekarten geprüft und einen tollen Plan B entwickelt. Sie entschieden, in eine Bucht zu fahren, die extrem selten besucht wird. Die Bucht stellte sich als absolutes Juwel heraus. Das sind Momente, die unvergesslich bleiben – für die Gäste genauso wie für die Crew.

Könnte man sagen, Hoteldirektoren sind die besseren Kreuzfahrtmanager?
In der Gästebetreuung auf jeden Fall. Wer aus der Hotellerie kommt, bringt das Verständnis und die Sensibilität mit, um emotionale Erlebnisse zu gestalten. Das ist auf See genauso wichtig wie an Land – wenn nicht noch wichtiger. Für alle anderen Bereiche, etwa Navigation oder Sicherheit, haben wir Spezialisten an Bord, die genau wissen, was sie tun. Ich würde nie behaupten, ich könnte einem Kapitän reinreden. Auf einem Schiff ist der Kapitän der oberste Entscheidungsträger, ganz egal, wer noch an Bord ist.

Wo sehen Sie die größte Konkurrenz für HX – bei anderen Reedereien oder in der Hotellerie an Land?
Ich denke, es geht weniger um direkte Konkurrenz, sondern vielmehr um das Gesamtprodukt, das wir bieten. Wir konkurrieren mit der Hotellerie an Land, weil Gäste oft zwischen einer Expedition und einem hochwertigen Landurlaub abwägen. Der Schlüssel liegt darin, Erlebnisse zu bieten, die an Land so nicht möglich sind. Und da spielt der Expeditionscharakter eine entscheidende Rolle.

Wie definieren Sie Luxus bei HX?
Luxus ist für uns kein Statussymbol. Es geht nicht um Kaviar oder Champagner – auch wenn wir das bieten können, wenn es gewünscht wird. Unser Luxus ist „ungezwungener Luxus“. Das bedeutet, dass unsere Gäste nach einer Expedition nicht in den Anzug schlüpfen müssen, um zu Abend zu essen. Sie können in Outdoor-Kleidung direkt von der Anlandung zum Dinner kommen. Luxus bedeutet für uns die Qualität der Erlebnisse – dass man Wissenschaft hautnah erlebt, echten Komfort genießt und dennoch entspannt bleibt.

HX gilt als Vorreiter bei Nachhaltigkeit. Was macht Sie da einzigartig?
Wir setzen Nachhaltigkeit nicht als Marketinginstrument ein, sondern leben sie. Bereits seit 2009 verzichten wir auf Schweröl, 2018 haben wir Einwegplastik von unseren Schiffen verbannt. Wir arbeiten mit über 30 Forschungsinstituten zusammen und ermöglichen unseren Gästen, aktiv an wissenschaftlichen Projekten teilzunehmen – vom Sammeln von Phytoplankton bis zur Walforschung. So werden unsere Gäste Teil der Wissenschaft und bekommen ein tieferes Verständnis für die Umwelt und den Klimawandel.

Wie unterscheidet sich HX von Mitbewerbern wie Seabourn?
Der entscheidende Unterschied ist unser Fokus. Während andere Reedereien das Schiff ins Zentrum stellen, setzen wir auf die Destination. Das Schiff ist komfortabel, aber das Erlebnis draußen ist das, was zählt. Wir bieten Expedition, Wissenschaft, Vorträge und die Möglichkeit, mit Wissenschaftlern zu arbeiten. Das macht jede Reise einzigartig.

Wie wirken sich diese Erlebnisse auf die Gäste aus?
Wir haben zusammen mit der Universität Tasmanien eine Studie gestartet, um genau das herauszufinden. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Erlebnisse bis zu drei Monate nachwirken, bevor der Alltag die Gäste wieder einholt. Unser Ziel ist es, diesen Zeitraum zu verlängern, sodass mehr Menschen langfristig ihr Verhalten ändern und bewusster mit der Umwelt umgehen.

Was sind die neuen Routen und Highlights für 2025 und 2026?
Wir erweitern unser Programm in Alaska – mit neuen Routen und täglichen Anlandungen, die tiefer in die Natur führen. Grönland ist ebenfalls im Fokus, mit Routen, die so weit nach Norden führen, wie es die Wetterlage zulässt. Wir planen Entdeckungsreisen in Regionen, die bisher kaum betreten wurden. In Norwegen setzen wir auf Nordlichter-Touren, und auf den Galapagos-Inseln bieten wir neue Programme, um die Natur intensiver zu erleben. Auf unseren Reisen durch die Nordwest-Passage bieten wir ab diesem Sommer erstmals ein Ausflugsprogramm an, das wir gemeinsam mit den Inuit-Ältesten, Einheimischen und Mitarbeitern aus der Gemeinde gestaltet haben. Über diese Kooperation freue ich mich besonders. Wir möchten nicht nur unseren Gästen besondere Erlebnisse ermöglichen, sondern auch einen nachhaltigen, positiven Einfluss auf die besuchten Gemeinden haben.

Gibt es Pläne für neue Schiffe?
Ja, wir beobachten den Markt sehr genau. Wir überlegen, ob wir ein neues Schiff bauen – frühestens ab Ende 2026. Dabei ist für uns entscheidend, dass es unseren Nachhaltigkeitsstandards entspricht, etwa in Bezug auf Antriebstechnologie und Umweltfreundlichkeit. Gleichzeitig prüfen wir, ob es bestehende Schiffe gibt, die wir übernehmen könnten, wenn sie unseren Anforderungen genügen. Der Fokus liegt dabei immer auf Innovation und Qualität.

Wie entwickelt sich das Geschäft bei HX?
Wir liegen für 2025 rund 10 Prozent über dem Buchungsstand vom Vorjahr, für 2026 sogar 34 Prozent. Wir setzen auf Qualität statt Rabatte und arbeiten mit höheren Durchschnittspreisen. Das bedeutet: mehr Buchungen, bessere Erträge und eine stabilere Marktposition. Gleichzeitig ist der durchschnittliche Preis pro Buchung deutlich gestiegen – das heißt, die Gäste sind bereit, für hochwertige, nachhaltige Erlebnisse mehr zu bezahlen. Rabatte oder Preiskämpfe sind für uns kein Thema. Im Gegenteil: Wir setzen auf Qualität, auf klare Kommunikation und darauf, dass unsere Gäste den Wert unseres Produkts erkennen und schätzen.

Wie viele Gäste reisen jedes Jahr mit HX – und welche Rolle spielt der deutsche Markt?
Insgesamt begrüßen wir jährlich mehrere Zehntausend Gäste weltweit. Der deutsche Markt ist dabei für uns besonders wichtig – er macht etwa ein Drittel unserer gesamten Gästezahl aus. Das zeigt, wie stark die Nachfrage hier ist und wie sehr deutsche Gäste hochwertige, nachhaltige Erlebnisse schätzen. Neben Deutschland sind auch Großbritannien, die USA und Australien für uns entscheidend.

HX ist nun in London ansässig. Was bedeutet das für Sie?
Für mich bedeutet das mehr Reisen, aber London ist gut erreichbar. Wir bleiben global aufgestellt – mit Büros in Hamburg, Prag, den USA, Australien, China und mehr. Unser Ziel ist es, die Marke weltweit zu positionieren und gleichzeitig die Nähe zu unseren Kernmärkten zu halten.

Wie wird sich die Kreuzfahrtbranche entwickeln?
Der Markt wird sich konsolidieren. Wir setzen auf Innovation, Qualität und die Ausbildung unserer Crews. Preiskämpfe und Rabattschlachten sind nicht unser Weg – wir wollen durch Erlebnisse und nachhaltige Konzepte überzeugen.

Und Ihre persönliche nächste Reise?
Ich werde in den nächsten Tagen nach Schottland reisen, um die „Spitzbergen“ zu sehen. Das Schiff wurde renoviert, mit einem neuen Science Center und einem neuen Restaurant ausgestattet und präsentiert sich in unseren neuen Farben: Indigo-Blau und Sand. Es ist ein wichtiges Signal für unsere Marke und unsere Zukunft.