"Wir brauchen politischen Rückenwind, keine Hürden."
„Reisen ist mehr als Luxus“, betont DRV-Hauptgeschäftsführer Achim Wehrmann beim 26. Tourismusgipfel. Im Interview spricht er über die drängenden Herausforderungen der Branche und warum die Politik jetzt handeln muss, um den Tourismusstandort Deutschland zu sichern.
Beim 26. Tourismusgipfel des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) betont Achim Wehrmann, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbands (DRV), die Notwendigkeit klarer Rahmenbedingungen für die Reisewirtschaft. Im Interview spricht er über politische Herausforderungen, die Rolle des Verbraucherschutzes, die Bedeutung von Innovation und Nachhaltigkeit für die Branche sowie die umstrittene EU-Reform der Pauschalreiserichtlinie.
Herr Wehrmann, welche politischen Forderungen stellen Sie aktuell an die Bundesregierung? Die Reisewirtschaft ist eine zentrale Wirtschaftskraft, nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Wir brauchen politischen Rückenwind, keine Hürden. Eine klare Priorität sollte die Stärkung des Mobilitätsstandorts Deutschland sein – sowohl für Urlaubs- als auch für Geschäftsreisen. Die Belastungen für den Luftverkehr, wie Luftverkehrsteuer und Sicherheitsgebühren, müssen runter, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Gleichzeitig erwarten wir von der Politik, dass sie die Kaufkraft der Verbraucher stärkt. Eine stabile Wirtschaft sorgt auch für eine stabile Konsumlaune, und das ist für unsere Branche entscheidend.
Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für die Zukunft des Tourismus? Eine sehr große! Es ist essenziell, Forschung und Innovation in Richtung nachhaltiger Kraftstoffe für den Flug- und Schiffsverkehr zu fördern. Auch der Ausbau von Landstrom in den Häfen ist ein wichtiger Schritt. Wenn wir Deutschland als attraktiven und nachhaltigen Mobilitätsstandort erhalten wollen, müssen wir jetzt handeln und investieren.
Wie stehen Sie zur aktuellen Diskussion um den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF)? Der Verbraucherschutz ist uns sehr wichtig. Der DRSF stellt sicher, dass Pauschalreisende im Falle einer Insolvenz sicher nach Hause kommen und ihr Geld zurückerhalten. Aber wir dürfen die Wettbewerbsfähigkeit der Pauschalreise im Vergleich zu individuellen Reiseleistungen nicht aus den Augen verlieren. Der Fonds ist gut aufgestellt, auch nach der Insolvenz von FTI. Unser Ziel ist es, die Entgelte für Veranstalter möglichst bald deutlich unter ein Prozent des Jahresumsatzes abzusenken. Das würde die Mehrbelastung reduzieren und den Markt stärken.
Die EU diskutiert derzeit eine Revision der Pauschalreiserichtlinie, auch mit der Einführung verpflichtender externer Schlichtungsstellen. Wie stehen Sie dazu? Wir halten das für unnötig und sogar kontraproduktiv. Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Ratsarbeitsgruppen klar und deutlich positioniert, und wir liegen hinsichtlich der Ratsposition nun auch sehr nah beieinander. Wichtig ist, dass Veranstalter und Reisebüros durch die Revision nicht noch stärker belastet werden. Zusätzliche Belastungen würden die Pauschalreise weiter verteuern – ohne erkennbaren zusätzlichen Mehrwert für die Reisenden. Diese würden sich aller Wahrscheinlichkeit nach den vermeintlich günstigeren Einzelleistungen zuwenden und damit völlig ungeschützt verreisen. Das kann nicht das Ziel der EU sein. Derzeit wird im EU-Parlament unter anderem die Einführung verpflichtender Schlichtungsstellen für Streitfälle diskutiert. Aus unserer Sicht wäre das ein unnötiger Kostentreiber, den es zu verhindern gilt.
Die Pauschalreise ist ja nach vor bei den Deutschen Urlaubern sehr beliebt, oder? So ist es. Umfragen zeigen, dass die Zufriedenheitswerte bei Pauschalreisenden deutlich über 90 Prozent liegen. Die überwiegende Anzahl auftretender Probleme während einer Reise kann in aller Regel schnell und zur vollen Zufriedenheit der Reisenden bereits vor Ort gelöst werden oder im Nachgang der Reise. Dies zeigt sich auch in den äußerst niedrigen Reklamationsquoten bei den Reiseveranstaltern, die sich im unteren einstelligen Prozentbereich bewegen. Den Unternehmen der Reisewirtschaft ist die Zufriedenheit ihrer Kundinnen und Kunden und der Verbraucherschutz überaus wichtig. Der Aufbau einer externen, verpflichtenden Schlichtungsstelle würde jedoch nicht zu einer Verbesserung der schnellen Problembehebung im Sinne der Zufriedenheit der Reisenden, die es ja bereits gibt, beitragen. Stattdessen würden erneut zusätzliche Kosten generiert – wiederum zum Nachteil der Verbraucher ohne einen erkennbaren Mehrwert.
Was erwarten Sie von der Politik in den kommenden Monaten konkret? Wir erwarten, dass die Regierung den Outgoing-Tourismus, also das Geschäft mit Auslandsreisen, stärker unterstützt. Reisen ist mehr als Luxus – es bedeutet Lebensqualität, Erholung, Teilhabe und Völkerverständigung. Außerdem muss die Politik zügig die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Entlastungen für Reiseveranstalter umsetzen. Und wir brauchen dringend Maßnahmen, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, Überregulierungen abzubauen und die Weichen für eine nachhaltige Zukunft der Branche zu stellen.
Info zur Person: Wehrmann ist seit 2024 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbands (DRV). Wehrmann war seit 2001 in verschiedenen leitenden Funktionen im Bundesverkehrsministerium tätig. Dabei stand er auch im regelmäßigen Austausch mit dem Tourismusausschuss des Bundestages und war zuvor im Stab der tourismuspolitischen Sprecherin Annette Faße tätig. Wehrmann gilt als versierter Kenner der Reisewirtschaft und setzt sich insbesondere für faire Wettbewerbsbedingungen, Nachhaltigkeit und den Erhalt der Kaufkraft der Verbraucher ein.