BTW Tourismusgipfel

Tourismusbranche ruft nach mutigen Reformen

In einer hochkarätig besetzten Paneldiskussion diskutierten Vertreter aus Bahn, Hotellerie, Reisebranche und Politik, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit sichern und den Tourismusstandort stärken kann.

Tourismusbranche ruft nach mutigen Reformen
Foto: Thomas Rosenthal // TRVL Counter
Beim Tourismusgipfel 2025 in Berlin versammelten sich führende Köpfe der Branche zur Paneldiskussion zum Thema: „99 Tage nach der Wahl – was der Wirtschaftsstandort braucht“. Mit dabei: Stefanie Berk, Vorständin Marketing und Vertrieb bei DB Fernverkehr AG, Stefanie Brandes, COO der Dorint Hotelgruppe, Christoph Debus, CEO der DERTOUR Group, Heiko Reitz, CCO von Lufthansa Airlines sowie Armand Zorn MdB, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Gemeinsam diskutierten sie über die Herausforderungen der Branche und die Rolle der Politik.

Investitionen und Infrastruktur im Fokus
Stefanie Berk unterstrich die Bedeutung des angekündigten Sondervermögens für die Bahn-Infrastruktur. „Es braucht jetzt verbindliche, langfristige Planungen, um das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates zurückzugewinnen“, erklärte sie. Sie betonte, dass Investitionen allein nicht ausreichen: „Wir brauchen endlich pragmatische Lösungen für den Ausbau der Schieneninfrastruktur. Dazu gehört auch die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren, die derzeit zu lange dauern.“

Berk warnte zudem vor den Folgen überhöhter Trassenpreise, die insbesondere für touristisch relevante Nebenstrecken zum Risiko werden. „Wenn wir die Attraktivität des Bahnverkehrs als klimafreundliche Alternative erhalten wollen, müssen wir sicherstellen, dass auch kleinere Regionen und touristische Ziele erreichbar bleiben“, so Berk. Sie lobte den politischen Willen zum Wandel, mahnte jedoch an: „Jetzt müssen Worte in Taten umgesetzt werden – mit Tempo.“

Hotellerie will mehr Flexibilität und bessere Rahmenbedingungen
Stefanie Brandes machte deutlich, dass die Hotellerie dringend flexiblere Rahmenbedingungen brauche, etwa bei Arbeitszeiten und steuerlichen Entlastungen. „Die 7-Prozent-Mehrwertsteuer ist ein wichtiger Schritt, aber wir brauchen mehr, um die Branche langfristig zu stabilisieren“, erklärte sie.

Besonders betonte sie den Fachkräftemangel: „Wir müssen die Branche für junge Talente und internationale Fachkräfte attraktiver machen. Das bedeutet nicht nur bessere Bezahlung, sondern auch gezielte Anreize wie steuerliche Freibeträge oder flexible Arbeitsmodelle.“ Brandes forderte eine pragmatische Politik, die schnell umsetzbare Lösungen liefert: „Wir können es uns nicht leisten, dass komplexe Visa- und Anerkennungsverfahren den Zugang für dringend benötigte Arbeitskräfte blockieren.“

Auch in Bezug auf die Attraktivität der Branche äußerte sie sich deutlich: „Wir müssen die Geschichten des Erfolgs in unserer Branche erzählen und zeigen, dass Hotellerie nicht nur harte Arbeit bedeutet, sondern auch Karrieremöglichkeiten und spannende Perspektiven bietet.“ Sie plädierte für eine branchenweite Kampagne, die das Image der Branche bei jungen Menschen aufpoliert und mehr Menschen für die Arbeit in der Hotellerie begeistert.

Reisebranche erwartet konkrete Maßnahmen
Christoph Debus, CEO der DERTOUR Group, betonte, dass der Koalitionsvertrag ambitionierte Ziele setze, diese aber jetzt dringend umgesetzt werden müssten. „Es sind viele gute Ideen da, aber wir müssen sie auch wirklich umsetzen“, forderte er nachdringlich. Die Reisebranche stehe an einem Scheideweg: „Wir sind Optimisten, aber wir müssen den Schwung jetzt nutzen. Es darf nicht bei Absichtserklärungen bleiben.“ Debus warnte, dass die Branche durch die geplante Revision der EU-Pauschalreiserichtlinie erheblich belastet werden könnte. „Die Pauschalreise ist ein Erfolgsmodell – über 90 Prozent Kundenzufriedenheit sprechen für sich. Zusätzliche Schlichtungsstellen bedeuten nur Kosten ohne Mehrwert“, erklärte Debus.

Er forderte, dass die Politik die Vorteile der Pauschalreise als verlässliches und sicheres Modell stärker ins öffentliche Bewusstsein rückt. „Wenn wir die Pauschalreise künstlich verteuern, drängen wir Verbraucher in den ungeschützten Bereich der Individualreisen. Das wäre ein Rückschritt für den Verbraucherschutz.“ Zudem plädierte Debus für eine umfassende Digitalisierung der Prozesse, um Buchungen effizienter und kundenfreundlicher zu gestalten: „Digitale Systeme können den Service verbessern und gleichzeitig Kosten senken – das ist der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit.“

Luftverkehr: Kostenexplosion gefährdet Wettbewerbsfähigkeit
Luftfahrtexperte Heiko Reitz legte den Finger in die Wunde: Die Luftfahrtbranche in Deutschland kämpft mit erheblichen Standortnachteilen. „Die Airportkosten von Berlin kostet siebenmal mehr als die von Madrid – das ist nicht wettbewerbsfähig“, erklärte er. Die Ursachen seien staatlich bedingte Kosten wie Luftverkehrsteuern, Sicherheitsgebühren und Gebühren für An- und Abflug, die seit der Pandemie stark gestiegen seien. „Wir liegen bei den Standortkosten im europäischen Vergleich ganz hinten“, so Reitz.

Er warnte, dass diese hohen Kosten die internationale Konnektivität Deutschlands schwächen: „Wir sehen bereits jetzt, dass Deutschland im globalen Vergleich bei der Anbindung an internationale Flugrouten zurückfällt.“

Auch bei den Produktionsmengen der Airlines hinke Deutschland hinterher – während andere Länder auf 109 Prozent des Vor-Corona-Niveaus kommen, liege Deutschland nur bei 91 Prozent. „Das ist nicht, weil wir weniger Nachfrage haben, sondern weil die Kostenstrukturen uns ausbremsen“, betonte Reitz. Er forderte eine drastische Reduzierung der Luftverkehrsteuer und eine generelle Entlastung der Branche. „Wir müssen den Turnaround schaffen, um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren.“

Politik verspricht Unterstützung – aber auch mehr Tempo
Als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion betonte Armand Zorn die Bedeutung des Tourismus als „Hidden Champion“ der deutschen Wirtschaft. „Wir müssen das enorme Potenzial des Tourismus stärker ins politische Bewusstsein rücken“, forderte er.

Zorn räumte ein, dass die bisherigen Fortschritte beim Bürokratieabbau und bei der Digitalisierung nicht ausreichen. „Wir brauchen weniger Streit, mehr Verlässlichkeit und Investitionen in die Zukunft“, erklärte er. Insbesondere bei der Umsetzung von Digitalisierungs- und Innovationsprojekten müsse die Bundesregierung jetzt schneller und entschlossener handeln. „Digitalisierung darf nicht durch überzogene Datenschutzregeln ausgebremst werden. Wir müssen mutig in neue Technologien investieren“, sagte Zorn. Zudem betonte er die Bedeutung der Nachhaltigkeit für den Tourismusstandort Deutschland: „Wir müssen ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit miteinander verbinden und praktikable Lösungen schaffen.“